Rückblick: Es ist der 11. Mai 2021. Eine Mordserie erschüttert die Provinz Zentral-Sulawesi auf der indonesischen Insel Sulawesi. Extremisten der Mudschaheddin töten vier christliche Kaffee-Bauern aus dem Dorf Kalemago. Die Christen lernen dennoch zu beten: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Fast jeden Morgen machte sich Kila auf den Weg zu seiner Kaffeeplantage, die am Osthang des Mount Pohus liegt. Der Weg dorthin führt durch das Dorf Kalemago, in dem Kila lebte. Doch eigentlich hatte Kila von Anfang an seine Bedenken bezüglich dieser Plantage. Denn sie befand sich praktisch vor der Haustür eines geheimen Stützpunktes der ostindonesischen Mudschaheddin (MIT) – eine der ersten islamistischen Gruppierungen in Indonesien, die der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Treue geschworen haben.
Ungefähr ein Jahr, bevor Kila die Plantage kaufte, wurden er und sein Freund von MIT-Islamisten entführt. Als die Terroristen erfuhren, dass Kila Christ war, forderten sie ihn auf, seinem christlichen Glauben abzuschwören. Aber Kila weigerte sich, dieser Forderung nachzukommen. Er nahm in Kauf, für seinen Glauben zu sterben. Doch wie durch ein Wunder ließen die Islamisten ihn und seinen Freund frei.
In der gleichen Woche entführten die MIT-Islamisten zwei weitere christliche Bauern, von denen sie einen töteten. Wenige Tage später, im November 2020, ermordeten sie eine christliche Familie in einem benachbarten Bezirk und brannten mehrere Kirchen nieder.
Mordserie auf der Kaffeeplantage
Dann kam der 11. Mai 2021: Am Morgen versprach der blaue Himmel gutes Wetter für die Kaffeeernte. Viele Bauern aus Kalemago beschlossen, auf ihre Plantagen zu gehen – so auch Kila. Auf dem Weg dorthin hielt Kila mit seinem Auto an, um mit seinem Nachbarn Marten zu plaudern. Marten und dessen Schwager Simson waren bereits seit einigen Tagen auf der Plantage. Simson ging es nicht so gut und so blieb er auch nachts auf der Plantage, um nicht jeden Tag den Berg hinaufsteigen zu müssen. Wie die meisten Bauern in der Gegend hatten auch Marten und Simson eine kleine Hütte auf ihrem Grundstück, wo ihre Vorräte lagerten und sie sich ausruhen konnten.
Nach dem kurzen Plausch setzte Kila seinen Weg fort, doch kurz nachdem er an der Plantage von Marten vorbeigefahren war, erschrak er: Direkt vor ihm errichteten fünf MIT-Terroristen eine Straßensperre. Als sie Kila zu verstehen gaben weiterzufahren, packte ihn die Angst. Statt weiterzufahren, sprang er aus dem Auto ins Gebüsch und rannte zurück zu der Plantage von Marten. „Ich rannte auf Marten zu und sagte ihm: Die Terroristen kommen. Du musst hier schnell weg. Beeil Dich. Doch er antwortete mir: ‚Ich muss erst Simson holen und dann bring ich mich in Sicherheit‘“, erinnert sich Kila.
Kila lief, so schnell ihn seine Beine trugen, um zurück nach Kalemago zu gelangen. „Ich betete in meinem Herzen: Herr, rette mein Leben“, berichtet Kila. Als er im Dorf ankam, alarmierte er die Dorfbewohner. Dann lieh er sich ein Motorrad und fuhr zur Polizeistation. Als er dort ankam, verständigten die Beamten das Militär, das sofort nach Kalemago eilte. Doch die Soldaten kamen zu spät.
Wachsender Islamismus auf Sulawesi
Indonesien ist das vierbevölkerungsreichste Land der Welt. Von den rund 270 Millionen Einwohnern bekennen sich etwa 230 Millionen zum Islam. Damit ist Indonesien das Land mit der weltweit größten Anzahl an Muslimen. In der Provinz Zentral-Sulawesi auf der indonesischen Insel Sulawesi leben viele Christen. In dem Dorf Kalemago leben fast nur Christen. Jedoch gilt Süd-Sulawesi als Zentrum des radikalen Islam. Die Mehrheit der Muslime dort plädiert für die Einführung des Scharia-Gesetzes. Ihre Propaganda hat in den letzten Jahren auch Zentral-Sulawesi erreicht, wo sich eine islamistische Szene gebildet hat. Die Hardliner unter ihnen sympathisieren mit den MIT-Extremisten, die Christen verfolgen und töten.
„Am Ende haben wir den Schmerz und die Umstände Gott abgegeben.“
Bereits vor der Mordserie bedrängten Terroristen der MIT mehrmals die Christen in Kalemago. Die Vorfälle hatten Dewi, die älteste Tochter von Marten, beunruhigt: „Ich habe meinem Vater gesagt, er solle nicht mehr auf die Plantage gehen“, sagt Dewi. „Ich hatte Angst, dass er dort auf MIT-Kämpfer stoßen könnte.“
Am 11. Mai 2021, fünf Tage nachdem Marten auf die Plantage gegangen war, um seinem Schwager Simson zu helfen, wachte Dewi mit einer dunklen Vorahnung auf: „Ich hatte das Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren würde“, sagt Dewi. So machte sie sich, nach einem Trauergottesdienst für ein verstorbenes Gemeindemitglied, auf den Weg zur Plantage, um ihren Vater und ihren Onkel zu holen. Doch nach der Trauerfeier berichtete ihr ein Nachbar, dass auf den Plantagen jemand ermordet worden sei. „Meine Brüder fuhren sofort zur Plantage, um nach dem Rechten zu schauen. Sie nahmen mehrere Polizisten mit“, erzählt Dewi. „Dort angekommen fanden sie die Leiche unseres Vaters, der in seiner Hütte enthauptet worden war.“ Traumatisiert durch den brutalen Mord an ihrem Vater, kehrten die beiden Männer nach Hause zurück und berichteten den Familienangehörigen. „Am Ende haben wir den Schmerz und die Umstände Gott abgegeben“, sagt Dewi.
Marten war nicht der einzige, den sie zu betrauern hatten. Die MIT-Extremisten hatten auch ihren Onkel Simson und zwei weitere Bauern aus Kalemago getötet, die Vorräte geplündert und ihre Fahrzeuge verbrannt.
Traumatisierende Bilder
Der Blick gen Himmel
Kila, der entkommen war und die Polizei alarmiert hatte, blieb nach den Morden noch einige Tage unter Polizeischutz. „Die Polizisten befragten mich zu dem Vorfall. Sie waren besorgt, dass die Mudschaheddin-Terroristen mich jagen und töten könnten, weil ich der einzige Zeuge war“, erzählt Kila. Er hatte lange danach noch mit Angstattacken zu kämpfen. Er hatte keinen Appetit, konnte nicht schlafen und arbeiten. Dadurch bekam er gesundheitliche Probleme.
Um sich von dem Trauma zu erholen, zog Kila zu seiner Schwester. Von der Gemeinde wurde er seelsorgerlich betreut und von unserem Partner unterstützt. Inzwischen geht es ihm gesundheitlich besser. Er hofft, eines Tages nach Kalemago zurückkehren zu können. „Ich bin Gott dankbar, dass ich die Angriffe überlebt habe. Ich weiß, dass Gott einen Plan für mein Leben hat“, sagt er.
Für seinen Heilungsprozess war es wichtig, den Angreifern zu vergeben. „Ich habe ihnen vergeben, denn im Grunde wussten sie nicht, was sie getan haben. Die Augen ihrer Herzen waren verblendet von einer menschenverachtenden Lehre“, weiß Kila. In den 18 Monaten nach dem Angriff wurden alle beteiligten MIT-Mitglieder entweder getötet oder verhaftet.
Erprobter Glaube ist gestärkter Glaube
Auch bei der Familie von Marten war es ein langer Prozess, bis die seelischen Wunden verheilt waren. In ihrem Leben hat sich viel geändert: Martens Frau, Maria, arbeitet jetzt auf den Feldern anderer Bauern. Ihre Angst ist einfach zu groß, um auf die eigene Plantage zurückzukehren. Für Martens jüngsten Sohn Antoni führte das schreckliche Erleben zu einer Wende: „Jetzt weiß ich, dass mein ganzes Leben von Gott abhängt. Mein Vater ist nun tot, aber ich habe einen Vater im Himmel, der mich liebt“, sagt Antoni.
Seit dem Mord an seinem Vater lebt Antoni bei seiner Tante in Süd-Sulawesi, um ihr bei der Erdbeerernte zu helfen. Außerdem leitet er dort die Gottesdienste in der Gemeinde und hofft, eines Tages selbst Pastor zu werden. Er sagt, seine Erfahrung mit dem Leid habe ihn auf ein Leben im christlichen Dienst vorbereitet. „Der Herr Jesus selbst wurde bis zu seinem Tod am Kreuz verfolgt, also werden wir, seine Jünger, dasselbe erleben müssen“, sagt Antoni.
Seine Schwester Dewi bekennt angesichts der erlebten Verfolgung: „Wir werden Nachfolger Christi bleiben, egal was passiert. Gott hat uns einmal geholfen. Er wird uns auch ein zweites Mal helfen, wenn Verfolgung kommt“.
Bitte beten Sie mit
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für die Christen auf der indonesischen Insel Sulawesi, dass sie trotz Verfolgung mutig und furchtlos Jesus bekennen.