Es war der 4. Mai 2024. Eine Gruppe von rund 20 radikalen Hindu-Nationalisten stürmte das Haus von Kosa Kawasi. Unter ihnen waren sein eigener Onkel und sein Cousin. Ihr Ziel: Kosa soll seinem christlichen Glauben abschwören. Doch der neu bekehrte Christ weigerte sich – mit tragischen Folgen.
Immer wieder forderten ihn seine Verwandten auf, Jesus zu verleugnen. Weil Kosa standhaft blieb, schlugen sie zu – brutal, erbarmungslos. Sie schlugen mit Stöcken, Eisenstangen und schließlich mit einer Axt. Kosa starb auf dem Weg ins Krankenhaus – in den Armen seiner Ehefrau Jime Kawasi.
Doch die Tragödie hatte nicht erst an diesem Tag begonnen. Schon Monate zuvor war Kosa zur Zielscheibe des Hasses geworden – wegen seines Glaubens an Jesus Christus. Seine Familie akzeptierte seinen Schritt nicht. Immer wieder drohten sie ihm mit dem Tod, weil er nicht zum Hinduismus zurückkehren wollte. Auch die Dorfgemeinschaft stellte sich gegen ihn und seine Frau. Sie versuchten mehrfach, das junge Paar aus dem Dorf zu vertreiben. Ein paar Wochen vor seinem Tod meldete Kosa die Morddrohungen bei der Polizei. Doch die Behörden ignorierten seine Warnungen – und unterließen es einzugreifen.
Nach dem Mord flohen noch am selben Tag fünf christliche Familien aus dem Dorf. Zurück blieben verängstigte Gläubige, die nun täglich mit Angriffen rechnen müssen. „Die systematische und organisierte Verfolgung von Christen hat in mehreren Bundesstaaten Indiens ein dramatisches Ausmaß angenommen“, sagt Pastor Vijayesh Lal, Generalsekretär der Evangelischen Allianz Indiens. „Wir sind tief beunruhigt. Im Durchschnitt werden vier bis fünf Kirchen oder Pastoren täglich attackiert. Besonders häufig an Sonntagen – dann, wenn die Christen sich zum Gottesdienst versammeln.“
Politischer Nährboden für Hass
Was in Indien geschieht, ist kein Einzelfall. Seit Jahren wächst der Druck auf christliche Minderheiten. Vor allem seit Premierminister Narendra Modi an der Macht ist, hat sich das Klima verändert. Seine hindunationalistische Politik stärkt extremistische Gruppen. Diese hetzen offen gegen religiöse Minderheiten – besonders gegen Christen. Ein zentrales Werkzeug dieser Entwicklung sind sogenannte „Anti-Konversionsgesetze“. Seit 2021 wurden solche Gesetze in mittlerweile zwölf Bundesstaaten verabschiedet. Offiziell sollen die Gesetze „Zwangskonversionen verhindern“. Doch in der Praxis dienen sie oft als Vorwand, um Christen einzuschüchtern, zu verhaften oder sogar gewaltsam anzugreifen. Besonders im Visier stehen Pastoren und Gemeindeleiter, denen man vorwirft, Menschen zur Bekehrung zum christlichen Glauben zu zwingen.
„Die systematische und organisierte Verfolgung von Christen hat in mehreren Bundesstaaten Indiens ein dramatisches Ausmaß angenommen.“
Zerbrochene Seelen – verletzte Körper
Viele dieser Pastoren leiden im Verborgenen – körperlich und seelisch. Die Bedrohung ist nicht nur ein äußerer Druck, sie hinterlässt auch tiefere Spuren. Müdigkeit, Hoffnungslosigkeit und sogar körperliche Krankheiten sind die Folge. Um ihnen zu helfen, hat unser Partner vor Ort im vergangenen Jahr ein besonderes Seminar organisiert. Ein Rückzugsort für alle, die erschöpft, traumatisiert oder innerlich zerbrochen sind. Ziel: Stärkung, Wiederherstellung, neue Hoffnung. Die Treffen finden an einem abgelegenen Ort in den Bergen statt. Umgeben von Natur, fern vom Alltag. In der Nähe liegt ein christliches Krankenhaus, das nicht nur medizinische, sondern auch seelsorgerliche Hilfe bietet. Viele reden dort zum ersten Mal offen über ihre seelischen Wunden und über das, was sie erlebt haben. Sie reden offen über den Schmerz und die Angst – und ihre Zweifel am Glauben.
Scham, Wut, Hoffnung
Einer, der im letzten Jahr dort betreut wurde, ist Rahul, ein Gemeindeleiter, der jahrelang wegen seines Glaubens verfolgt wurde. Eines Tages kam die Polizei in seine Kirche – mit dem Vorwurf der „Zwangskonversion“. Sie forderten ihn und seine Gemeindemitglieder auf, Jesus zu verleugnen. Als sie sich weigerten, wurden sie verhaftet. „Die Festnahme war eine Demütigung, eine Schande für uns alle“, sagt Rahul. „Wir fühlten uns wie Kriminelle. Und die Erlebnisse in der Haft ließen uns mit einer tiefen Angst zurück.“
Auch Gloria war Teilnehmerin des Seminars. Sie leitet den Lobpreis in ihrer Gemeinde. Früher war sie lebensfroh, voller Hoffnung. Doch nach Jahren der Anfeindung ist sie innerlich zerbrochen. „Ich wurde verspottet, beschimpft, ausgegrenzt“, sagt sie. „Die schlimmen Worte haben sich tief in mein Herz gebohrt. Ich verlor meinen Fokus auf Jesus. Statt zu beten, klagte ich nur noch. Ich war gefangen in Bitterkeit.
Pastor Manu kennt diesen Zustand gut. Auch er war jahrelang Bedrohungen und Schikanen ausgesetzt. Irgendwann zog er sich zurück – auch geistlich. „Ich konnte den Missionsauftrag kaum noch erfüllen. Es fühlte sich an, als sei das brennende Feuer für Jesus in mir erloschen“, sagte er.
Langsame Heilung
Die Seminare bieten Raum für Heilung, für Gespräche, Gebet, Verarbeitung. Auch wenn man keine sichtbaren Wunden trägt – Angst und Dauerbelastung haben langfristige Folgen. Sie greifen nicht nur den Körper an, sondern auch das Herz. Sie trüben die Beziehung zu Gott. Der Schmerz verhindert Nähe – und raubt oft den Glauben. „Wir versuchen, das Leiden dieser Christen mit dem Leiden Jesu zu verbinden“, erklärt einer der Organisatoren. „Wir zeigen ihnen: Auch Jesus wurde verfolgt. Auch er hat gelitten. Verfolgung ist kein Zeichen von Gottesferne – sondern ein Teil des Weges, den viele Christen gehen müssen.“
Mit viel Einfühlungsvermögen, Verständnis und Geduld nähern sich die Seminarleiter den Teilnehmern. Neben seelsorgerlicher Begleitung erhalten viele auch medizinische Hilfe – gegen Bluthochdruck, Diabetes oder psychosomatische Beschwerden. All das sind Folgen der jahrelangen Belastung.

Vergebung macht frei
Manoj, ein weiterer Pastor, kam voller Groll gegen seine Verfolger zum Seminar. Die Verfolgung seiner Gemeinde hatte Spuren hinterlassen. „Ich konnte nicht vergeben. Ich war verbittert.“ Doch im Laufe der Seminarwoche veränderte sich etwas. Er erkannte: Vergebung ist keine Schwäche. Sie ist der Schlüssel zur Freiheit. „Ich habe gelernt, meine Verfolger loszulassen – so wie Jesus mir vergeben hat.“ Heute kann er wieder frei predigen – ohne Groll, ohne Angst. Ein Seminarleiter verglich Unversöhnlichkeit mit Gift. „Wer daran festhält, vergiftet sich selbst – und entfernt sich von Gott.“ Erst als Manoj losließ, konnte er zurück in den Dienst. „Wer vergibt, wird frei. Wer loslässt, hat die Hände frei, um anzupacken.“
Auch Gloria fand durch das Seminar zu neuer Hoffnung. „Ich habe gelernt, meine Sorgen bei Jesus abzugeben – und dort zu lassen“, sagt sie. „Ich musste aufhören, in alten Wunden zu bohren. Erst dann konnte Heilung geschehen.“ Heute hilft sie besonders Frauen in ihrer Gemeinde, die selbst unter Traumata leiden.
Zurück im Leben – zurück im Dienst
Viele der Teilnehmer kehrten verändert zurück, gestärkt im Glauben, neu motiviert – und bereit, ihren Dienst mit Eifer und Hingabe wieder aufzunehmen. „Wenn uns Stürme erschüttern, müssen wir uns an Gottes Wort festhalten“, sagt Pastor Manu. „Er macht uns stark, selbst wenn wir schwach sind. Wir können den Sturm zum Schweigen bringen – nicht aus eigener Kraft, sondern durch seinen Heiligen Geist.“ Heute ist er wieder aktiv im Dienst – dort, wo er einst aus Angst nicht mehr hingehen wollte.
Diese Seminare zeigen: Verfolgung kann lähmen und traumatisieren. Aber sie kann auch den Glauben veriefen. Sie kann zerstören – oder zu neuem Leben führen. Wenn der Glaube bleibt, wächst aus Tränen neue Hoffnung. Hoffnung, die für Jime Kawasi noch weit entfernt scheint. Sie trauert immer noch um ihren geliebten Ehemann Kosa Kawasi. Schwer traumatisiert sagt sie: „Sie haben meinen Mann vor meinen Augen getötet. Sie griffen auch mich an, aber wie durch ein Wunder konnte ich entkommen. Ich habe immer noch Angst, dass die Mörder meines Mannes mich finden und töten werden.“
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für die Geschwister in Indien, dass Gott sie vor dem Bösen beschützt. Wenn Sie mehr über unsere Geschwister in Indien erfahren wollen, dann kommen Sie zu unserem Missionstag nach Bremen.